Oberschwingungen

Der Inhalt dieser Seite wurde zum Teil von der Internetseite www.oberschwingungen.de übernommen. Der Autor heißt M.Genehr.
Weiterhin wurden einige Passagen dem Buch "Oberschwingungen, Netzrückwirkungen der Leistungselektronik" von Albert Kloss erschienen im VDE-Verlag entnommen. (ISBN 3-8007-2157-0)

Allgemeines

Oberschwingungen sind Ströme oder Spannungen, deren Frequenz oberhalb der 50 Hz-Grundschwingungsfrequenz liegen und die ein ganzzahliges Vielfaches dieser Grundschwingungsfrequenz besitzen. Die Stromoberschwingungen beteiligen sich nicht an der Wirkleistung, sie belasten das Netz nur thermisch und verhalten sich daher ähnlich wie Blindströme.
Jede in der Energietechnik vorkommende, periodische Schwingung kann mit Hilfe der diskreten Fourieranalyse in eine Reihe mit Sinusschwingungen der Grundschwingungsfrequenz und den ganzzahligen Vielfachen dieser Frequenz zerlegt werden. Hierbei ergibt sich für jede Oberschwingungsfrequenz ein Winkel- und Amplitudenwert.
Diese Oberschwingungen führen zu einer Verzerrung des Sinusverlaufs (Exceldatei 765kB), was für die in einem Energieversorgungsnetz angeschlossenen Betriebsmitteln zum Problem werden kann. Auswirkungen können Funktionsstörungen bis hin zu Zerstörung von Gerätschaften durch Überspannungen sein.

Entstehung von Oberschwingungen

Oberschwingungen werden durch elektronisch geregelte Betriebsmittel oder von Betriebsmitteln mit nichtlinearer Kennlinie erzeugt. Die Betriebsmittel nehmen einen nichtsinusförmigen Strom aus dem Versorgungsnetz auf. Dies führt zur Bildung von Stromoberschwingungen. Diese verteilen sich aufgrund der galvanischen Kopplung im gesamten Energienetz und führen an einem betrachteten Netzpunkt aufgrund der vorhandenen Netzimpedanz zu einem nichtsinusförmigen Spannungsfall, den Oberschwingungsspannungen. Diese überlagern sich der Spannungsgrundschwingung und führen zu einer Verzerrung des sinusförmigen Spannungsverlaufs. In Abhängigkeit von der Netzimpedanz entstehen somit stärkere oder schwächere Verzerrungen des Spannungsverlaufs.
Für ein ideales, nur durch Induktivitäten LNetz gebildetes Netz gilt:
Un = In · 2 · p · fn · LNetz
Der Effektivwert der Oberschwingungsspannung Un nimmt demnach mit steigender Frequenz fn proportional zu. Ein und der selbe Stromeffektivwert verschiedener Frequenz führt also zu unterschiedlichen Spannungsoberschwingungen und damit auch zu verschiedenen Spannungsverzerrungen.
Je größer die Kurzschlussreaktanz, d.h. je schwächer also das Netz ist, desto höher wird die Spannungsverzerrung. Ein und der selbe Oberschwingungserzeuger kann demnach an unterschiedlichen Netzen zu unterschiedlichen Spannungsoberschwingungen führen.
In einen normalen Versorgungsnetz ohne spezielle industrielle Einflüsse stammen die 3., 5. und 7. Oberschwingung im wesentlichen von kleinen Gerätenetzteilen mit Gleichrichtern und Kondensatorglättung. Diese Geräte haben zwar jedes für sich nur eine geringe Leistung, da aber die Glättungskondensatoren alle zum gleichen Zeitpunkt, nämlich im Spannungsmaximum, nachgeladen werden, liegen die dabei erzeugten Oberschwingungsströme in Phase und addieren sich somit von allen Geräten. Demnach hat man in Gebieten mit überwiegend Wohnanteil die höchste Oberschwingungsbelastung in den Abendstunden, wo viele Fernsehgeräte in Betrieb sind. Am stärksten wird die Belastung durch Oberschwingungen an Wochenenden und Feiertagen, wo die Grundlast niedrig ist und viele Heimgeräte in Betrieb sind.
In Gewerbegebieten tritt verstärkt die 3. Oberschwingung zu normalen Arbeitszeiten auf, sie ist auf die Beleuchtung mit Leuchtstofflampen zurückzuführen.
Da diese vielen kleinen Oberschwingungserzeuger für sich zulässig sind, ist das EVU (Energie-Versorgungs-Unternehmen) dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass die Rückwirkungen dieser Geräte auf andere Verbraucher nicht zu hoch werden (siehe Grenzwerte für Oberschwingungen weiter unter).
Je nach Verzerrungsgrad der Netzspannung kann es zu Störungen an vorhandenen Betriebsmitteln kommen.

Abhilfemaßnahmen zur Reduktion von Oberschwingungen

Die Beurteilung der Oberschwingungen in einem Netzabschnitt erfordert die genaue Analyse der dort installierten Betriebsmittel. Hierbei ist eine Netzanalyse mit entsprechenden Oberschwingungsmessgeräten zur richtigen Diagnose unablässlich. Diese Analysen müssen über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden und die am häufigsten vorkommenden Netzkonstellationen messtechnisch erfassen. Die richtige Auswahl des Messanschlusspunktes und die professionelle Auswertung der gemessenen Daten ist ein wesentlicher Bestandteil zur Entwicklung einer Konzeption, die die Oberschwingungen und die damit zusammenhängenden Störungen entfernt.
Es gibt verschiedene Ansatzpunkte zur Reduktion von Oberschwingungen. So ist es möglich gemäß des Wirkungsmechanismus, die Oberschwingungen am Entstehungsort zu eliminieren oder zumindest zu reduzieren.
Bei Stromrichtern beispielsweise kann man durch die Erhöhung der Pulszahl die Oberschwingungserzeugung vermindern. Bei mehreren 6 pulsigen Stromrichtern kann auch durch eine geschickte Auswahl der Transformatorschaltgruppen des Verhalten eines 12 pulsigen Stromrichters mit einer geringeren Oberschwingungsbelastung erreicht werden. (Eine einfache Drehstrombrückenschaltung wirkt 6 pulsig. Im dabei entstehenden Gleichstrom sind innerhalb einer Netzperiode 2 p sechs Pulse erkennbar.)

Folgende Tabelle zeigt den Unterschied in der Oberschwingungsstrombelastung beim Einsatz von Stromrichtern mit unterschiedlicher Pulsigkeit und idealisierter Glättung:

Frequenz / Ordnungszahl der Harmonischen
2 pulsig
6 pulsig
12 pulsig
50 Hz / n = 1
100 %
100 %
100 %
150 Hz / n = 3
33 %
0 %
0 %
250 Hz / n = 5
20 %
20 %
0 %
350 Hz / n = 7
14,3 %
14,3 %
0 %
550 Hz / n = 11
9,1 %
9,1 %
9,1 %
650 Hz / n = 13
7,7 %
7,7 %
7,7 %

Es ist auch möglich, die Oberschwingungen im Netz zu reduzieren.
Das kann zum Einen durch die Veränderung der Netzersatzimpedanz erreicht werden.
Zum Anderen kann durch eine Netzauftrennung die Oberschwingungsproblematik entschärft werden.
Eine weitere Möglichkeit ist eine Stabilisierung der Spannung und damit die geringere Auswirkung von Stromoberschwingungen auf den Spannungsverlauf eine Möglichkeit, Störungen in den Betriebsnetzen auszuschalten. Beispielsweise kann die Kurzschlussleistung des speisenden Netzes durch Zuschaltung von zusätzlichen Kabeln und Transformatoren erhöht werden, was den Einfluss der Oberschwingungen auf das Netz verringert.
Meist wird zur Oberschwingungsreduktion die Stromoberschwingungen verkleinert. Hierfür gibt es zwei Maßnahmen, die sich durch ihre finanziellen Größenordnung deutlich unterscheiden. Auf der einen Seite können insbesondere sich schnell ändernde Oberschwingungsströme durch aktive Filter, die innerhalb kürzester Zeit einen "Gegen-Oberschwingungsstrom" erzeugen und diesen dem originären Oberschwingungsstrom überlagern, verringert werden. Diese aktiven Bauteile sind sehr kostintensiv. Daher kommen in den meisten Fällen sogenannte Saugkreisanlagen (passive Filter) in Industrienetzen zum Einsatz. Sie sind aufgrund ihres Aufbaus in der Lage, die Oberschwingungen wie ein Magnet anzusaugen und zu vernichten. Sie liegen vom Kostengesichtspunkt deutlich unterhalb der aktiven Filtereinrichtungen. Eine grundsätzliche Entscheidung, welche Betriebsmittel zur Reduktion der Oberschwingungen in Frage kommen, kann vorab nie getroffen werden. Erst die genaue Analyse des Netzes kann zu einer passenden oberschwingungsreduzierenden Konzeption führen.
Insbesondere die Auslegung von Saugkreisanlagen erfordert ein immenses Know-how und kann bei Falschauslegung zu einer unbefriedigenden Reduktion der Oberschwingungen führen.

grafische Simulation

Für die grafische Simulation der Oberschwingungen bitte hier klicken. Der Pegel und die zu überlagernde Frequenz kann verändert werden, und in rot wird die jeweilige resultierende Kurve dargestellt.

Vorschriften

Die Grenzwerte für Oberschwingungen sind in der DIN VDE 0839 Teil 1 bzw. EN 50160 angegeben. Dort steht für Mittel- und Niederspannung: "Unter normalen Betriebsbedingungen dürfen 95 % der 10-Minuten Mittelwerte des Spannungseffektivwertes einer einzelnen Oberschwingung innerhalb jedes Wochenintervalles den in folgender Tabelle genannten Wert nicht überschreiten. Resonanzen können höhere Spannungen bei einer einzelnen Oberschwingung hervorrufen. Darüber hinaus darf der Gesamtoberschwingungsgehalt THD der Versorgungsspannung, gebildet aus allen Oberschwingungen bis zur Ordnungszahl 40, den Wert von 8 % nicht überschreiten."

ungerade Harmonische
gerade Harmonische
nichtvielfache von 3
vielfache von 3
 
Ordnung h
uh in %
Ordnung h
uh in %
Ordnung h
uh in %
5
6,0
3
5,0
2
2,0
7
5,0
9
1,5
4
1,0
11
3,5
15
0,5
6 bis 24
0,5
13
3,0
21
0,5
   
17
2,0
       
19
1,5
       
23
1,5
       
25
1,5
       

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