Der Inhalt dieser Seite wurde aus dem Buch "Oberschwingungen, Netzrückwirkungen der Leistungselektronik" von Albert Kloss, erschienen 1996 im VDE-Verlag, ISBN 3-8007-2157-0 übernommen und angepasst.
Der Begriff der »Harmonie« geht auf die Antike zurück. Viele griechische Philosophen, von Plato bis zum Aristoteles, haben die Harmonie sowohl im Kosmos als auch in der menschlichen Seele gesucht. Diese Ideen haben sich bis in die Neuzeit fortgepflanzt. Am Anfang des 17. Jahrhunderts schreibt J. Kepler in Prag seine berühmte »Weltharmonie« und zwei Jahrzehnte später erscheint von Mersenne in Paris die »Harmonie universelle«.
In dieser Zeit wurden auch schon akustische Resonanzerscheinungen beobachtet, und man war sich bewusst, dass sich der Schall wellenartig ausbreitet. Die Licht-Wellentheorie postulierte Huygens 1678. Der Begriff »Spektrum« geht auf Newton, 1704, zurück.
An der Schwelle des 19. Jahrhunderts waren es T. Young in England und Chladni in Deutschland, die in die Akustik die harmonische Teilung der Töne einführten. P. S. Laplace, Frankreich, führte ähnliche Überlegungen bei der Untersuchung der Ebbe-Flut-Periode durch. Aber erst J. B. Fourier, 1807, hat die mathematische Methode der harmonischen Analyse exakt, im Zusammenhang mit der Theorie der Wärmeausbreitung, entwickelt. Sein Buch »Theorie analytique de la chaleur« erschien erstmals 1822 in Paris.
Über die Sinusform des elektrischen Stroms wurde erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen. Dass die Spannung einer rotierenden elektrischen Maschine Sinusform aufweist, erkannte erst 1849 Lenz in Petersburg. Über Entladungsschwingungen spricht 1847 erstmals Helmholtz, und wie man die Periode der Eigenschwingungen berechnen kann, hat W. Thomson 1853 abgeleitet. Experimentelle Beweise brachten dazu dann die Arbeiten von Feddersen um 1860, was nicht so einfach war, da in der damaligen Zeit noch keine Oszilloskope zur Verfügung standen: Der Begriff »Oscillograph« taucht erstmals 1875 in Berlin auf. Die ersten wirklich funktionsfähigen Oszilloskope, allerdings auf elektromagnetischer Basis, baute Blondel in Paris 1893. Die Bildschirmröhre wurde 1897 zuerst von F. Braun verwirklicht und die ersten Aufnahmen von Stromkurven kurz danach von Zenneck gemacht.
Den ersten harmonischen Analysator stellte 1876 W. Thomson in England her, im Zusammenhang mit der Untersuchung der Flutzeiten. Ein Apparat zur Synthese der Teilschwingungen zu Volltönen wurde schon 1857 vom Helmholtz auf elektromagnetischer Grundlage entwickelt.
Die erste harmonische Analyse des gleichgerichteten, elektrischen Stroms wurde 1891 von Puluj in Prag durchgeführt. Die Analyse betraf allerdings nicht einen Gleichrichter, sondern die Wirkung der rotierenden Maschine. Die ersten empirischen Analysen des Stromrichter-Netzstroms stammen von M. Schenkel, 1925, und das Oberschwingungs-Grundgesetz In = I1 / n, wurde erst 1931 von Jungmichel in Berlin formuliert. Wie sich die Netzstrom-Oberschwingungen des ungesteuerten Gleichrichters mit der Überlappung verändern, berechneten 1933 Brown und Smith, USA. Den Einfluss der Gittersteuerung auf die Oberschwingungen ermittelte 1936 Laurent in Paris.
Schon in den ersten Betriebsjahren der elektrischen Stromverteilungsnetze stieß man auf Beeinflussungsprobleme. Im Jahr 1891 wurden z.B. in Zürich Telefongespräche durch die neuen Drehstromsysteme gestört, und als die Stadt 1896 die ersten elektrischen Straßenbahnen einführte, kam es wieder zu Störungserscheinungen. Den ersten ausführlichen Bericht über die Störwirkung der Leistungsnetze veröffentlichte 1924 Bartholomew in England. In Deutschland stellte 1926 Schenkel fest, dass bei einem Viertel der installierten Bahngleichrichter Telefonstörungen registriert wurden. In den USA wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg eine Kommission gegründet, mit der Aufgabe, einheitliche Kriterien zur Bewertung der Netzspannungsverzerrung auszuarbeiten.
Der Begriff »Oberschwingungen« wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum geläufig. Vorher sprach man von »Oberwellen« oder »Harmonischen«.
Auch bei den Leistungsbegriffen der Elektrotechnik hat sich eine Entwicklung vollzogen. Anstatt von »Energie« wurde in Deutschland im 19. Jahrhundert von »Kraft« gesprochen (deshalb bis in die heutigen Tage »Kraftwerk«), und man machte auch noch keinen klaren Unterschied zwischen Energie und Leistung. Der Begriff »Leistungsfaktor« erscheint erstmals in den 90 er Jahren des 19. Jahrhunderts bei S. P. Thomson 1891 und G. Kapp 1894 (in England).
Am Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb man von »wahrer Leistung«, von »wattlosem Strom« usw. Erst 1913 hat man sich, nach einer langen Diskussion, auf den Ausdruck »Blindleistung« in Deutschland einigen können.
Auf das Problem des Leistungsfaktors beim nichtsinusförmigen Strom machte 1892 Ch. P. Steinmetz, USA, als erster aufmerksam. Er untersuchte auch 1905 als erster den Leistungsfaktor beim Zweipulsstromrichter. Mit dem Holländer L. P. Krijger beginnen 1921 die Arbeiten über den Leistungsfaktor bei Mehrpulsstromrichtern.
Einige weitere Angaben aus der Geschichte der Oberschwingungen sind im Beitrag des Autors »The History of Harmonics« des Konferenzbandes »Second International Conference on Harmonics in Power Systems«, Winnipeg, 1986, zu finden.