Grundlagen der Rundsteuertechnik

Der Inhalt dieser Seite wurde von der Internetseite www.rundsteuerung.de von Jochen Fritz übernommen. Er ist Mitarbeiter eines süddeutschen Energieversorgungsunternehmens und dort für die Planung, den Bau und den Betrieb von Rundsteueranlagen im Nieder- und Mittelspannungsbereich verantwortlich.

Inhalt


Allgemeines

Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind bestrebt den Absatz an elektrischer Energie über den Tag möglichst konstant zu halten, um die zur Verfügung stehenden Kraftwerke gleichmäßig und im wirtschaftlichsten Betriebsbereich zu betreiben. Im Gegensatz dazu orientiert sich der Energiebedarf jedoch stark am menschlichen Lebensrhythmus und an den jahreszeitlichen und witterungsbedingten Schwankungen. Das bedeutet, dass einer oder mehreren Verbrauchsspitzen am Tag ein Abnahmetal während der Nacht gegenübersteht. Da die elektrische Energie zumindest in der hauptsächlich verwendeten Form nicht gespeichert werden kann, können die zur Bereitstellung der Tagesspitzen in den Morgen- und Abendstunden notwendigen Stromerzeugungsanlagen während der Nachtstunden nicht ausgenützt werden. Kraftwerke, die diese Verbrauchsspitzen abdecken  müssen, werden während der Starklastzeit ans Netz geschaltet und in der lastschwachen Zeit wieder außer Betrieb genommen. Die EVU waren aus diesem Grund schon frühzeitig an einer Laststeuerung interessiert.
So wurden schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Doppeltarife eingeführt, um die Energiebezieher dazu zu bewegen, einen Teil ihres Leistungsbedarf in die Schwachlastzeit zu verschieben. Durch tarifliche Begünstigungen der Energieabnahme in den Schwachlastzeiten sollte erreicht werden, dass geeignete Verbraucher während dieser Schwachlastperioden betrieben werden. Hierzu gehören Betriebe, die auch während der Nachtstunden arbeiten, ebenso wie Heißwasserspeicher und Speicherheizungen in Wohnungen und Geschäftshäusern, Futterdämpfer in der Landwirtschaft usw. Alle diese Verbraucher wurden anfangs überwiegend mit Schaltuhren ein- und ausgeschaltet.
Daneben gibt es aber auch Verbraucher, die ohne weiteres während der Lastspitzen teilweise oder ganz gesperrt werden können. Diese Verbraucher müssen allerdings ferngesteuert sein. Hier bietet die Rundsteueranlage die Möglichkeit, Steuerbefehle an die Verbraucher zu geben, die der Lastverteilung Rechnung tragen. Anstelle der Schaltuhren wird die Rundsteueranlage eingesetzt, man erspart dadurch die kostspielige Wartung der Uhren, die durch deren unvermeidbare Gangungenauigkeit notwendig wird.

Übertragung

Die Rundsteueranlage dient zur Fernsteuerung von Verbrauchern im Energieversorgungsnetz des EVU. Als Übertragungsweg wird das normale Energieversorgungsnetz verwendet. Die Übertragung der Steuerbefehle erfolgt durch Impulsfolgen im Bereich von 167 bis ca. 2000 Hz, die der 50-Hz-Spannung mit einer Amplitude von ca. 1...8% der jeweiligen Netznennspannung überlagert sind. Die Tonfrequenz wird zur Übertragung nach einem Code (Impulsraster) ein- und ausgeschaltet, wodurch ein "Telegramm" entsteht. Dem fernzusteuernden Verbraucher ist ein spezieller Empfänger (Rundsteuerempfänger) vorgeschaltet, der die Impulstelegramme wieder aus dem Netz ausfiltert und daraus die gewünschte Steuerinformation ableitet.
Es findet in gewisser Weise eine Flächenaussteuerung statt, die mit dem Prinzip des Rundfunks vergleichbar ist. Auch dort überstrahlt ein Sender eine größere Fläche, und er kann innerhalb dieser Fläche von einer unbegrenzten Anzahl von Rundfunkgeräten empfangen werden. In Anlehnung an das Wort "Rundfunk" hat man deshalb auch die Technik der Massensteuerung über das Stromversorgungsnetz als "Rundsteuertechnik" bezeichnet. Der Begriff "Rundsteuertechnik" bürgerte sich erst in den fünfziger Jahren ein, vorher wurden Begriffe wie "Fernschaltung", "Zentralsteuerung" und "Netzkommandoanlage" benutzt, wobei insbesondere in der Schweiz die Bezeichnung "Netzkommandoanlage" heute noch sehr gängig ist.
Die Wahl der Tonfrequenz ist stark vom Netz abhängig. Die VDEW (Vereinigung deutscher Elektrizitätswerke) empfiehlt für Netze mit großer Ausdehnung und mehreren Spannungsebenen Frequenzen unter 250 Hz und für Netze begrenzter Ausdehnung Frequenzen über 250 Hz.

Sendeanlage

Die Sendeanlage besteht aus einer Sendezentrale, die in der Regel in der Netzleitstelle ihren Standort hat, der Übertragungseinrichtung zur Einspeisestelle, einem Rundsteuersender mit zugehörigem Kommandogerät am Ort der Einspeisung, sowie der Ankopplung an das Energieversorgungsnetz.
Die Sendezentrale besteht heutzutage meist aus einem normalen PC. Ihr obliegt die gesamte Verwaltung der Schaltprogramme, die für die verschiedenen Rundsteuerbefehle vorliegen. Sie erzeugt aus Eingabeinformationen wie Datum, Uhrzeit, externen digitalen Signalen, Mess- und Zählwerten sowie Benutzereingaben zum gewünschten Zeitpunkt die Tonfrequenztelegramme und sendet diese an die Rundsteuersender an den Einspeiseorten.
Rundsteuersender wurden zu den Anfängen der Rundsteuertechnik mittels Tonfrequenzgeneratoren mit Synchron- oder Asynchronmotorantrieb ausgestattet, deren Ausgangsspannung von Tastschützen im Takt des Rundsteuertelegrammes ein- und ausgeschaltet wurden. Heute werden praktisch nur noch statische Umrichter mit Thyristor- oder Transistortechnik eingesetzt. Ein Umrichter formt einen Wechselstrom bestimmter Spannung und Frequenz in einen Wechselstrom anderer Spannung und Frequenz um. Ein Umrichter arbeitet fast ausschließlich mit Gleichstromzwischenkreis, d. h. der vorgegebene Wechselstrom wird zuerst gleichgerichtet und geglättet. Anschließend formt eine Wechselrichterschaltung aus dem so erhaltenen Gleichstrom den gewünschten tonfrequenten Wechselstrom.
Der Sender muss mit dem Energieversorgungsnetz über Koppelglieder verbunden werden. Die Koppelglieder oder auch Ankopplungen genannt gestatten die Überlagerung der Tonfrequenzspannung in das 50-Hz-Netz. Unterschieden werden Ankopplungen nach den zwei Grundvarianten Serienankopplung und Parallelankopplung.

Empfangsanlage

Ein Rundsteuerempfänger muss alle von der Sendezentrale übermittelte Impulstelegramme auswerten und nur die an ihn gerichteten als Schaltbefehl an seinen Relaisausgängen ausführen. Er soll weitgehend unempfindlich sein gegen Überspannungen, Störspannungen, Netzoberschwingungen sowie Temperaturschwankungen.
Funktionell gliedert sich der Rundsteuerempfänger in Eingangsteil, Auswerteteil und Ausgangsteil. Im Eingangsteil wird aus der angelegten Netzspannung die Rundsteuerfrequenz meist mit aktiven Filtern herausgefiltert und verstärkt. Mit dem Startimpuls beginnt im Auswerteteil ein Decodierzyklus, bei dem die empfangene Impulsfolge mit den im Empfänger programmierten Impulsmustern (Rundsteuerbefehl) verglichen wird. Bei Übereinstimmung schalten die betreffenden Befehlsrelais im Ausgangsteil ihre Steuerobjekte ein oder aus. Als gemeinsamer Zeitmaßstab für Sende- und Empfangsanlage dient die Netzfrequenz, aus der alle Impulszeiten abgeleitet werden. Somit ist auch bei längeren Rundsteuertelegrammen stets ein Synchronlauf zwischen Sendezentrale und Empfängern gewährleistet.
Die Decodierung kann entweder elektromechanisch, elektronisch oder mittels Mikroprozessor erfolgen. Bei erstgenannten Typen erfolgt die "Programmierung" mit Steckern und Kippschaltern, in mikroprozessorgesteuerten Systemen durch EEPROMs oder steckbare PROMs.
Moderne Rundsteuerempfänger lassen sich heute meist als fernparametrierbare Schaltuhren betreiben, die einen Großteil der Schalthandlungen selbsttätig, ohne Anreiz durch eine Rundsteuersendung ausführen. Zur Übertragung der Schaltprogramme und Kalendereinträge an die Empfänger kommen die in DIN 43861 definierten Übertragungsprotokolle SemagyrTOP und Versacom zur Anwendung.

Probleme

Die Rundsteuerung kann durch Störsignale (Oberschwingungen) oder Saugkreise (Kondensatoren) beeinträchtigt werden und dadurch Fehlschaltungen verursachen.
Ein zu hoher TF-Signalpegel infolge Resonanzerscheinungen an bestimmten Stellen eines Netzes oder eine Überempfindlichkeit von gewissen Geräten gegenüber der TF-Sendefrequenz kann ebenfalls zu Störungen führen.

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